Der innerste Kern unseres Wesens

„Im innersten Kern unseres Wesens gibt es einen Punkt, klein wie ein Nichts, an den Sünde und Illusion nicht zu rühren vermögen. Es ist der Punkt der lauteren Wahrheit, ein Punkt oder Funke, der ganz Gott gehört. Nie können wir über diesen Punkt verfügen, sondern Gott fügt von diesem Punkt aus unser Leben. Gott lässt sich nicht von den Phantasien unseres eigenen Geistes erreichen und nicht mit gewalttätigem eigenem Wollen erobern. Dieser kleine Punkt der Nichtigkeit und der absoluten Armut ist der Punkt des reinen Lichtglanzes Gottes in uns.
Er ist sozusagen der Name Gottes, der in unser innerstes Wesen geschrieben ist, als unsere Armut, als unsere Bedürftigkeit, als unsere Abhängigkeit, als unser Gottessohn- und Gottestochter-SEIN. Er ist wie ein reiner Diamant und funkelt vom unsichtbaren Licht des Himmels. Er steckt in jedem Menschen, und wären wir imstande, ihn zu sehen, dann würden wir sehen, dass Milliarden solcher Lichtpunkte sich zum Gesicht und zum Strahlen einer Sonne vereinigen, die alle Dunkelheit und alle Grausamkeit des Lebens restlos verscheuchen würde.
Ich kenne kein Programm dafür, wie man dahin kommen kann, das zu sehen. 
Es kann einem nur geschenkt werden. Aber das Tor zum Himmel ist überall.“

(nach Thomas Merton, in: "Ein Tor zum Himmel ist überall", 1979)


Liebe Mitglieder des Freundeskreises,
liebe Freund*innen und Wohltäter*innen unseres Klosters!

In den letzten Wochen haben mich die Gedanken von Thomas Merton auf dem Hintergrund der vielen Schreckensbilder von Krieg, Hunger, Klimawandel, politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten, Wandel von bisher geglaubten Werten, Um- und Aufbrüche in der Kirche …, in einer neuen Weise erreicht. Dieser Text mit seiner Mut machenden Zusage ist unerschöpflich und führt uns in eine Tiefe, in der wir die Kostbarkeit unserer Würde für uns und für unser Gegenüber neu entdecken können.
Gott fügt und führt uns von unserem innersten Kern aus. Das geschieht im Kleinen, in oft alltäglichen Situationen meist ganz unerwartet und unaufgeregt, aber auch an Schnittstellen unseres Lebens. So möchte ich heute von einigen markanten Ereignissen aus unserer Gemeinschaft erzählen.

Bei der Frage nach der Berufung haben auch Sr. Rosi Kotter und Sr. Maria Christina Kerkhoff diese Führung erfahren und sind der Sehnsucht des Herzens gefolgt. So durften wir in diesem Sommer gleich zweimal Profess feiern: Am Hochfest Herz-Jesu, dem 25. Juni, brachte Sr. Rosi Kotter in einer berührenden und freudigen Feier in der Pfarrkirche St. Gallus Gott ihre Gelübde auf Lebenszeit dar. Sie legte ihr Versprechen ab, ein Leben nach den evangelischen Räten der Armut, des Gehorsams und der ehelosen Keuschheit zu führen und sich so mit ganzer Hingabe in die Sendung Jesu Christi hineinzugeben. Pfarrer Karwath aus der Diözese Würzburg stand dem festlichen Gottesdienst vor; eine kleine Gruppe von Musikern aus dem Freundeskreis von Sr. Rosi erfüllte den Gottesdienstraum und die Herzen der Gottesdienstbesucher mit wunderbaren Klängen und LIedern. Viele Angehörige von Sr. Rosi aus ihrer Heimat am Chiemsee und eine große Zahl von Freunden aus nah und fern, ganz besonders auch viele Nachbarn und Freunde der Niederlassung Buchenstock, waren gekommen, um diesen einmaligen Moment im Leben von Sr. Rosi mit ihr zu feiern. Anschließend konnten sich alle vor oder im Pfarrheim bei Kaffee und Kuchen stärken und es gab Raum für viele gute Begegnungen und Gespräche. Den Abschluss bildete eine feierlich gestaltete Vesper in der Pfarrkirche.

Eine Woche später, am 2. Juli, dem Fest Mariä Heimsuchung, feierte Sr. Maria Christina mit großer Freude und Dankbarkeit, in unserer Klosterkapelle die zeitliche Profess. In einer kleinen internen Feier erhielt sie zunächst, eingebettet in das Mittagsgebet, ihr Ordenskleid. Um 14 Uhr feierte Pfarrer Büchel aus Altach mit uns Klaraschwestern und mit einem kleinen Kreis von Angehörigen und Freunden eine festliche Eucharistiefeier. In seiner Ansprache ging er mit sehr persönlichen Worten auf den Berufungsweg von Sr. Maria Christina ein. Immer wieder durfte sie Menschen begegnen, welche sie darin unterstützten, die „Sprache Gottes“ besser kennen zu lernen und Gott auf seine große Liebe zu antworten. In dieser Feier legte Sr. Maria Christina ihre Profess für zunächst drei Jahre ab. Anschließend waren alle Mitfeiernden im Refektorium zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Viele gute Gespräche und Begegnungen in freudiger Atmosphäre rundeten die Feier ab.

Nach diesen freudigen Feierlichkeiten führt uns das dritte Ereignis nach Frastanz: Ende September lösten wir unsere Niederlassung in Frastanz auf. Die drei Schwestern, die in den letzten Jahren in Frastanz lebten, zogen nach Bregenz um. So ist unser Konvent auf zehn Schwestern angewachsen und gleichzeitig ist hier auch der Alterssitz unserer Gemeinschaft. Die Entscheidung, Frastanz nach mehr als 30 Jahren zu verlassen, war für uns kein leichter Schritt, der sich jedoch in einem längeren und intensiven Entscheidungsprozess mit Blick auf die Gesamtsituation der Gemeinschaft als notwendig zeigte. Mit tiefer Dankbarkeit schauen wir auf unser Dasein in der Pfarre Frastanz über diese lange Zeit zurück - Dankbarkeit gegenüber der Pfarre Frastanz, gegenüber den Menschen, die uns über all die Jahre unterstützt haben und uns in unserer Lebensweise so wohlwollend verbunden sind. Dankbar sind wir auch für die vielen Beziehungen, in die wir eingebettet waren und die gewachsenen Freundschaften, die uns auch weiterhin verbinden werden.

„Dieser kleine Punkt der Nichtigkeit und der absoluten Armut ist der Punkt des reinen Lichtglanzes Gottes in uns“!

Mit dieser wunderbaren Zusage, die Jeder und Jedem von uns gilt grüße ich Sie/Euch alle sehr herzlich, auch im Namen unserer Obfrau Veronika Marte und des Vorstandes und freue mich schon auf viele bereichernde Begegnungen beim kommenden Klostermärktle.

PACE E BENE
Sr. Rita-Maria Schmid
Äbtissin